Die Energiewende vor Ort
Wiederinbetriebnahme des Emscher-Windrads hautnah erlebt!
Im Büro sitzen und palavern kann jeder. Ich dagegen weiß lieber, wovon ich rede. Und als Sprecher von Emschergenossenschaft und Lippeverband rede ich schon berufsbedingt eine ganze Menge – also sehe ich mir die Dinge, über die ich spreche, ganz genau an. Und am liebsten vor Ort! Das führte mich bereits in den engen Vortriebstunnel für unseren Abwasserkanal Emscher, in die 46 Meter tiefe Baugrube unseres Pumpwerks Oberhausen und nun ganz aktuell zur Wiederinbetriebnahme unserer einzigen Windenergieanlage auf das über 100 Meter hohe Dach der selbigen…
Richtig gelesen, die Rotorblätter unseres Windrads an der Stadtgrenze Bottrop/Essen drehen sich seit der vergangenen Woche wieder und produzieren kräftig Strom. Wurde aber auch Zeit, denn durch einen schadensbedingten Ausfall von knapp sechs Monaten waren uns zwischenzeitlich 2,5 Millionen Kilowattstunden an Strom durch die Lappen gegangen… Bis zu der Zwangspause hat unsere Windenergieanlage rund 5 Millionen Kilowattstunden Strom produziert – das entspricht einer CO2-Ersparnis von 2500 Tonnen!
Unmittelbar vor der Wiederinbetriebnahme werden die neuen Rotorblätter und die Nabe ein letztes Mal überprüft und offiziell abgenommen. Bei diesem Akt bin ich dabei. Und da man Schwimmen schließlich auch nicht an Land lernt, geht es weit hoch… Dabei wird die Arbeitssicherheit ganz groß geschrieben – davon kann ich mich persönlich überzeugen. Meine Betriebskollegen Can Aksüt und Christian Jung legen mir das Sicherheitsgeschirr inkl. mördermäßigen Karabinerhaken an. Diese sind bereits für die Fahrt mit der Befahrungsanlage nötig, in der ich die Haken an der Decke befestigen muss.
Platzangst sollte man hier übrigens nicht haben! Höhenangst sowieso nicht, denn nach 8 Minuten Fahrt steige ich durch eine enge Luke auf das Dach des Windrads – Wahnsinn!
Ich würde vermutlich grenzenlose Freiheit verspüren, wäre ich nicht mehrfach gesichert und würde mein Bewegungsradius nicht knapp zwei Meter betragen… Die Essener Skyline, die Schalker Arena, der Oberhausener Gasometer und das Weltkulturerbe Zollverein – alles scheint zum Greifen nah. Aber zum Sightseeing fahre ich lieber in den Urlaub. Hier geht es gerade um nichts anderes als die Energiewende vor Ort, die wir bei der Emschergenossenschaft bereits eingeleitet haben:
Unsere Anlage hat eine Turmhöhe von rund 100 Meter und einen Rotordurchmesser von rund 120 Meter. Der Generator erzielt eine Leistung von zirka 3000 kW. Der durch die Anlage erzeugte Strom wird vollständig über eine rund 450 Meter lange Kabeltrasse in das interne Netz unserer benachbarten Kläranlage Bottrop geleitet, auf die ich nun erstmals hinab (!) blicken kann…😉 Wieso wir als Wasserwirtschaftsverband überhaupt ein Windrad betreiben? Nun, unser Ziel ist es, unsere Kläranlage energieautark zu gestalten. Die Windenergieanlage ist dabei nur ein Teil des Gesamtpakets Hybridkraftwerk Emscher.
So langsam wird es hier oben nicht nur kalt, sondern auch – pardon – windig… Der optimale Zeitpunkt, das Windrad wieder in Betrieb zu nehmen. Für mich bedeutet das, dass ich wieder runter muss. Die Arbeitssicherheit schreibt es vor. Nach knapp 15 Minuten stehe ich wieder unten auf festem Boden und blicke etwas ungläubig nach oben. Die Rotorblätter drehen sich mittlerweile wieder!