Erster Emscherwein ist im Fass
Skurril, aber wahr: Die Emschergenossenschaft erntet Weintrauben am Phoenix See.
Okay, die Geschichte klingt ein wenig skurril, aber sie hat einen ernsten Hintergrund: Die Emschergenossenschaft hat vor zwei Jahren in Dortmund-Hörde tatsächlich einen Weinberg an Emscher und Phoenix See angelegt. Nicht etwa, um nun die „Emscher-Winzergenossenschaft“ zu gründen, sondern um auf anschauliche Art und Weise den Klimawandel in der Region zu belegen. In den vergangenen Tagen erntete die Emschergenossenschaft die Phoenix-Trauben. Nun wird gekeltert, im Frühjahr dann soll der erste Wein in Flaschen vorliegen.
Die erste Idee für den Weinberg am Phoenix See hatte jemand, der sich mit dem Thema Weinanbau in Hörde bestens auskennt: Willi Garth vom Hörder Heimatverein weiß nämlich zu berichten, dass bereits vor vielen Jahrhunderten Weinanbau in Hörde betrieben wurde. Zahlreiche Straßennamen weisen heute noch darauf hin. Doch dazu später noch mehr.
Im Zuge des Strukturwandels in Hörde und des Baus des Phoenix Sees kam Garth die Idee, den Weinanbau wieder zu neuen Leben zu erwecken. Mit seiner Idee stieß Garth bei der Emschergenossenschaft auf offene Ohren und so bekam der Weinberg noch mehrere „Väter“. Auch unser für Hörde zuständige Projektleiter Helmut Herter, der vor einigen Jahren den Phoenix See mitbaute und die Emscher renaturierte, sah in den Hängen des See-Ufers die perfekte Lage für einen Weinberg und begeisterte sich sofort für Garths Idee. Das kommt nicht von ungefähr: Herter stammt aus einer Winzerfamilie aus der Pfalz.
Einen wesentlich aktuelleren Grund nahm darüber hinaus Dr. Jochen Stemplewski, Chef der Emschergenossenschaft, zum Anlass, dem Projekt „Emscher-Weinberg“ grünes Licht zu geben. Der Klimawandel und seine Folgen (Starkregen, Hochwasser) sind für die Wasserwirtschaft die großen Herausforderungen in der Zukunft. Doch in der Öffentlichkeit spielt der Aspekt Klimawandel bislang nur eine kleine Rolle. Um das Thema jedoch anschaulicher zu präsentieren, stimmte Stemplewski zu, den Weinberg zu pflanzen – und diesen auch wissenschaftlich begleiten zu lassen.
Zum Hintergrund:
Wissenschaftlern zufolge erhöht sich die durchschnittliche Temperatur in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Der Weinanbau, so heißt es, wird sich mehr und mehr in nördlichere Regionen verlagern. Der Weinberg der Emschergenossenschaft entstand auf drei Flächen mit jeweils 50 Quadratmetern. Sie sind ideal für das Projekt: Steilhang, Südlage und ein Wasserkörper in der Nähe, der an kalten Tagen das Erfrieren der Blüte verhindern sollte. Zur Anpflanzung kamen – nomen est omen – Reben der Sorte „Phoenix“: gewählt nicht nur wegen des Namens, sondern auch wegen der Robustheit und der Resistenz gegen Schädlinge.
Ob überhaupt auch in Dortmund-Hörde Weinanbau möglich ist, sollte das Projekt der Emschergenossenschaft zeigen. Bislang lässt sich das durchaus bestätigen, denn die Ernte der vergangenen Woche kann sich sehen lassen. Nach unserer erfolgreichen Weinlese – nochmals danke all den fleißigen Helfern und Helferinnen – hat Helmut Herter die Ernte schnellstmöglich in die schöne Pfalz (zum Weingut Mohr – Gutting in Duttweiler) gebracht. Dort wurden unsere Phoenixtrauben in einer kleinen, aber feinen Weinpresse gekeltert: Gut 35 Liter Rebensaft sind der Lohn für die Anstrengungen. Für das nunmehr dritte Jahr ist das ganz ordentlich. Zumindest mehr, als angesichts des miserablen Sommerwetters eigentlich zu erwarten war… Nach Zugabe einer feinen Hefekultur (und etwas Vitamin B6, damit die „Tierchen“ auch richtig loslegen) ist übers Wochenende der Gärprozess in Gang gekommen, bei dem die Hefekulturen den Zucker in Alkohol umwandeln.
Wie geht es jetzt weiter? Die momentane Gärung läuft in einem Gärbottich ab, anschließend wird der Erstling nach einer groben Filtration in Glasballons umgefüllt, in denen der junge Wein weiter reifen kann. Wenn alles gut geht, kann dann im Dezember die Hefe abgezogen werden, und der junge Wein weiter reifen.
Wir sind natürlich sehr gespannt, was dann zu erwarten ist. Wenn alles glatt geht, können wir uns auf einen frischen Weißwein freuen, mit feiner Frucht und einer milden anregenden Säure – wie gesagt, wenn alles glatt geht!
Zur Hörder Wein-Historie
Wie bereits weiter oben erwähnt, hat der Weinanbau in Hörde Tradition. Die folgenden Informationen hat uns Willi Garth, einer der „Väter“ des Weinbergs, zur Verfügung gestellt:
„Hördes Stadtgründer Graf Konrad von der Mark, der auf der Hörder Burg wohnte, schenkte 1342 der Antoniusbruderschaft einen „Winberg“ (Weinberg) auf dem „Renneberghe“, dem heutigen Remberg. Damit verband Konrad die Verpflichtung, alljährlich an „Paschedag“, also zu Ostern, auf diesem Berg ein Freudenfeuer zu entzünden und dadurch jährlich den Ring der Feuer um ganz Hörde schließen zu helfen, um „Gott zu danken für die Erlösung vom Teufel und seinem Blute.“
Wenn die Antoniusbrüder den Brauch unterbrachen, sollte ihnen der Weinberg wieder genommen werden. Konrad von der Mark lieferte für das Feuer noch fünf Fuder Holz aus dem Waldgebiet Reichsmark. Heinrich von Aldinghofen steuerte weitere drei Fuder bei. Über die Hörder Antoniusbruderschaft ist wenig bekannt. Bruderschaften waren meist Gebetsgemeinschaften, die sich auch Armen und Bedürftigen widmeten. 1429 wird der Rebhang als „Wingarden“ erwähnt, 1567 als „des graven Wyngard“ (des Grafen Weingarten). Das Gebiet am Hörder Nordrand mit seinen sonnigen, kalkhaltigen Südhängen oberhalb der Emscher und mit den großen Mühlenteichen bot sich für den Weinanbau geradezu an.“
Fotos: Stefan Kuhn