Wieso die Emscher mehr stinkt als sonst…
Nicht nur die sommerlichen Temperaturen verstärken aktuell das bekannte Aroma unseres Flusses…
Als Jahrgang 1978 kann ich mich noch gut an die späten 80er-Jahre erinnern. Wir fuhren damals mit dem Auto von der Essener Innenstadt aus in Richtung Gelsenkirchen-Horst. Bei Karnap überquerten wir zwei Wasserläufe: einen Fluss und einen Kanal. Dachte ich zumindest… In Wahrheit war jedoch das, was ich als Fluss ausmachte, der Rhein-Herne-Kanal – und der kanalisierte Wasserlauf, das war der Fluss Emscher. Nicht nur die Optik, diese schnurgerade Betontrasse, habe ich noch gut in Erinnerung – sondern vor allem auch den enormen Gestank. Es schien, als würde dieses Emscher-Aroma über dem gesamten Stadtteil (wenn nicht sogar über der ganzen Region) zu liegen.
Fast 30 Jahre ist das nun her. Viel hat sich seitdem an und in der Emscher getan. Mittlerweile arbeite ich selbst bei der Emschergenossenschaft, bin hier der Sprecher des Verbandes. Mit dem Emscher-Umbau zu Beginn der 90er-Jahre wurden moderne Großkläranlagen errichtet, deren Reinigungsleistung so gut sind, dass sie den Emscher-Duft in den vergangenen Jahren beinahe auf ein Minimum reduzierten. Und dennoch stinkt die Emscher an manchen Tagen, vor allem im Sommer, wie mehr als sonst. Und in diesem Sommer scheint es sogar noch einmal viel extremer. Als ich kürzlich auf der A42 in Höhe OB-Buschhausen die Emscher überquerte, da wähnte ich mich doch glatt wieder im Jahr 1988, als ich mit meinen Eltern im Auto durch Karnap fuhr…
Der Gestank stinkt vor allem den Anwohnern in Oberhausen. Zahlreiche Beschwerden erreichten uns dazu in den vergangenen Tagen und Wochen. Und viele Fragen. Einige wollen wir hier beantworten. Und wir wollen erklären, wie wir aktuell daran arbeiten, dass der spezielle Emscher-Duft in einigen Jahren ganz der Vergangenheit angehört…
Beschweren sich viele Anwohner über den aktuellen Gestank der Emscher?
Ja, es laufen sehr viele Beschwerden bei uns ein. Für die Verärgerung der Bürger haben wir vollstes Verständnis. Natürlich können wir verstehen, dass es aktuell bei diesem Sommerwetter nicht toll ist, wenn man es als Anwohner an der Emscher eben nicht auf dem Balkon oder im Garten genießen kann – wenn man noch nicht einmal das Fenster öffnen kann, ohne dass der Duft in alle Räume zieht…
Woran liegt es, dass die Emscher aktuell mehr stinkt als zuvor?
Leider unter anderem eben auch an diesem sommerlichen Wetter! Wegen des niedrigen Wasserstandes, der hohen Temperaturen und der geringen Fließgeschwindigkeit kommt es zu Fäulnisprozessen und bei schwachem Wind zu den starken Geruchsbelästigungen. Gegenüber früheren Zeiten hat sich die Situation sogar noch etwas verschlimmert, weil in der Emscher die Feinkohleanteile aus den mittlerweile geschlossenen Zechen fehlen, die früher durch ihre Spurenstoffbindung für eine Verminderung des Geruchs gesorgt haben. Im Klartext: Die Emscher führt im Sommer weniger Wasser – in diesem Wasser ist der Schmutzwasseranteil jedoch höher und damit konzentrierter als sonst.
Aber es gibt ganz aktuell noch eine weitere Erklärung, für die man allerdings nach Bottrop auf unsere dortige Kläranlage schauen muss: Da wir dort zurzeit im Rahmen der Instandhaltung einige Klärbecken vorübergehend außer Betrieb nehmen mussten , reinigt unsere Anlage täglich momentan weniger Abwasser als es sonst der Fall ist. Dadurch wird auch weniger gereinigtes Wasser wieder der Emscher zugeführt, der Verdünnungsfaktor bleibt daher aus – was schließlich zu einer erhöhten Geruchsbelästigung führt. Sobald die Klärbecken wieder in Betrieb gehen, normalisiert sich dies wieder. Wir gehen zurzeit davon aus, dass die Arbeiten Ende September beendet sind.
Wieso ist immer Oberhausen so stark betroffen?
In Richtung Oberhausen erhält die Emscher von links und rechts ganz ordentliche Abwassereinleitungen: Die Berne leitet das gesamte Abwasser aus der Essener Innenstadt ein, das Pumpwerk Bottrop-Lehmkuhle zudem die Fracht aus der Bottroper City. Und nicht zu vergessen, es gibt dann noch den Läppkes Mühlenbach sowie den Handbach, die ihr Übriges tun. Man kann sagen: Oberhausen bekommt momentan durchaus eine ordentliche Emscher-Packung ab…
Wieso pumpt die Emschergenossenschaft nicht einfach Frischwasser in die Emscher?
Weil das weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll wäre. Schlimm genug, dass wir in der Region noch offen Abwasser durch einen Fluss führen müssen. Frischwasser dort einzuleiten, wäre erst recht ein Vergehen an der Natur und eine Verschwendung dieser Ressource.
Wieso helfen die Sauerstoff-Stationen in Gelsenkirchen-Horst nicht gegen den Gestank?
Der Eintrag von Sauerstoff in die Emscher erfolgt in Gelsenkirchen auf Höhe der Fischerstraße und hat leider nur einen lokal begrenzten Effekt. Die Stationen befinden sich dort, weil das Abwasser aus Dortmund kommend eine lange Strecke bis Gelsenkirchen hinter sich hat und es aufgrund der Fäulnisprozesse zu noch stärkeren Gerüchen kommen könnte als in Oberhausen. In der Emscher in Oberhausen fließt aktuell immerhin noch ein gewisser Anteil gereinigtes Wasser aus der Kläranlage Bottrop!
Was tut die Emschergenossenschaft aktuell, damit die Emscher künftig nicht mehr stinkt?
Eine Menge! Oftmals aber von den Menschen unbemerkt unter der Erde, die Effekte wird man in Oberhausen erst in einigen Jahren spüren, am Oberlauf in Dortmund ist die einstige Vision von der sauberen Emscher bereits längst Realität. Was damit gemeint ist? Nun, seit 1992 setzen wir den Emscher-Umbau um – ein beispielloses Generationenprojekt, in das die Emschergenossenschaft über einen Zeitraum von zirka 30 Jahren rund 5 Milliarden Euro investiert. Um die Emscher vom Abwasser zu befreien, müssen insgesamt 423 Kilometer an unterirdischen Kanälen gelegt werden – und das mitten in diesem dicht besiedelten Ballungsraum Ruhrgebiet! Dabei müssen wir uns zudem von außen nach innen und von Osten (von der Quelle in Holzwickede) nach Westen (zum Klärwerk Emschermündung in Dinslaken) bewegen. Daher ist Oberhausen aktuell erst an der Reihe, denn der große Abwasserkanal Emscher, der 10 Kilometer lang in fast 40 Metern Tiefe unterhalb von Oberhausen gebaut wird, ist schon zu fast sieben Kilometern fertig. Doch bis das ganze System in Betrieb gehen kann, wird es noch einige Jahre dauern. Wir gehen davon aus, dass wir die Abwasserfreiheit in der Emscher Ende 2020 erreichen werden.
Und so sieht es unterhalb der Baustelle auf der anderen Seite der Emscher aus:
Und was hilft bis dahin gegen den Emscher-Geruch?
Ich will hier nicht sarkastisch werden, aber um ehrlich zu sein: schlechtes Wetter… Niedrige Temperaturen und Regen mindern den Emscher-Duft ganz erheblich, reduzieren ihn fast auf ein kaum spürbares Minimum.
Wir wissen, dass die Situation an der Emscher eine Belastung für die Anwohner ist und bedauern dies wirklich. Wir bitten dennoch um Verständnis dafür, dass wir akut aktuell nichts dagegen tun können. Langfristig arbeiten wir aber bereits seit vielen Jahren an einer Lösung – sobald der Abwasserkanal Emscher in einigen Jahren in Betrieb geht, wird die stinkende Emscher Geschichte sein!