Fragen und Antworten rund um den Hochwasserschutz

Fragen und Antworten rund um den Hochwasserschutz

Der Juli war in diesem Jahr geprägt von zahlreichen Gewittern und Starkregenereignissen. Für diese Erkenntnis bedarf es zwar keiner Zahlen und Daten, doch die Niederschlagsbilanz von Emschergenossenschaft und Lippeverband für den vergangenen Monat belegt es eindeutig: Im Emschergebiet fielen mit rund 149 mm etwa 177 Prozent des 120-jährigen Mittelwertes von 84 mm.  Im Lippegebiet wurden rund 123 mm gemessen. Damit wird der mittlere Juliniederschlag von 82 mm um 49 Prozent überschritten.

Im Zuge der jüngsten Starkregenereignisse und Überflutungen, wie etwa in Dortmund-Marten, kamen zahlreiche Fragen rund um das Thema Hochwasserschutz auf.  Im Folgenden sind die wichtigsten Fragen, inklusive ihrer Antworten, aufgelistet:

Gibt es einen 100-prozentigen Hochwasserschutz?

Nein! Einen 100-prozentigen kann es leider nie geben. Die Emschergenossenschaft spricht in diesem Zusammenhang eher von Hochwassermanagement, da es im Hochwasserfall primär darum geht, die Wassermassen zu kontrollieren und zu lenken. Der Wunsch der Bürger nach einem 100-prozentigen Schutz ist nachvollziehbar, doch das technisch und finanziell Machbare hat nun einmal seine Grenzen.

Wieso baut man nicht einfach größere Kanäle, um noch mehr Wasser aufnehmen und wegtransportieren zu können?

Größere Kanäle zu bauen, ist 1) flächendeckend selbst mittelfristig nicht finanzierbar 2) oftmals der Platz in der Straße gar nicht vorhanden 3) macht es schlichtweg keinen Sinn, weil das Problem nur nach unten transportiert wird – denn irgendwo endet auch der größte Kanal im Gewässer und dort muss das Wasser ja anschließend auch hochwassersicher weiterfließen können. Größere Kanäle führen lediglich zu einer Verlagerung des Hochwasserproblems. Im schlimmsten Fall werden untenliegende Stadtteile oder Städte überflutet.

Erschwerend hinzu kommt, dass bei gussartigen Starkregenereignissen das wild auf der Straße abfließende Wasser erst gar nicht über die Gulli-Öffnungen in den Kanal gelangt, sondern darüber hinweg fließt (je nach Stärke des Niederschlagsereignisses können das bis zu 80 Prozent sein) – oder die Gullideckel auch noch durch Laub verstopft. Gegen überflutete Straßen würden folglich auch größere Kanäle nicht helfen. Der richtige Weg ist, dieses Wasser gezielt auf Flächen zu leiten, wo es keinen Schaden anrichtet z. B Sportplätze, Parkanlagen.

Was kann man denn dann gegen die Wassermassen tun?

Die Emschergenossenschaft verfolgt einen weitergehenden Lösungsansatz: Im Rahmen einer Fließweg-Analyse wird zunächst ermittelt, in welche Richtung die Wassermassen überhaupt fließen und wo es Gefahrenpunkte gibt. In einem zweiten Schritt müssen Notwasserwege geschaffen werden, die es ermöglichen, dass die Wassermassen diese Gefahrenpunkte umfließen. Abgesenkte Bordsteine an der richtigen Stelle könnten zum Beispiel helfen, die Wassermassen in eine ohnehin vorhandene Geländemulde zu lenken. Damit dies funktioniert, werden aber Flächen benötigt, die im Starkregenfall gezielt und gefahrlos geflutet werden können.

Dieses Beispiel ist eines von vielen Aspekten, dass die Emschergenossenschaft im Rahmen der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ gemeinsam mit den Städten in der Emscher-Region verfolgen und realisieren will. Diese Initiative wurde erst im Mai auf den Weg gebracht.

Gibt es Projekte, die sich bereits in der Umsetzung befinden?

Ja, die Emschergenossenschaft hat bereits 2005 gemeinsam mit den Emscher-Kommunen und dem NRW-Umweltministerium das Projekt „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ auf den Weg gebracht. Das Ziel ist es, innerhalb von 15 Jahren (2005 bis 2020) 15 Prozent des Niederschlagswassers von der Kanalisation zu entkoppeln. Sauberes Regenwasser gehört nicht vermischt mit Schmutzwasser und auch nicht auf die Kläranlage . Im Idealfall sollte der Regen dort versickern, wo er fällt: direkt vor Ort. Dazu müssten unter anderem versiegelte Flächen wieder entsiegelt werden und Versickerungsmöglichkeiten geschaffen werden: Rasengittersteine auf großen Parkplätzen etwa anstelle von nicht durchlässigem Asphalt. Auf diese Weise würden die Kanäle und die Kläranlagen entlastet. Manche der beteiligten Städte liegen bereits bei einer Abkopplungsrate von 22 Prozent, andere jedoch nur bei gerade einmal drei Prozent. Es gilt also noch jede Menge Potenzial zu aktivieren.

Wie kann der „Normalbürger“ erfahren, ob sein Haus im Hochwasserfall gefährdet ist?

Hausbesitzer können ihr Grundstück überprüfen lassen und einen sogenannten Hochwasser-Pass erwerben. Dieser bewertet das Gefährdungspotenzial bei Hochwasser durch überflutete Gewässer, bei Starkregen sowie bei Kanalrückstau. So können Hausbesitzer auch in Erfahrung bringen, wie sie sich bzw. ihr Haus evtl. selbst schützen können, z.B. mithilfe einer Rückstauklappe gegen den Kanalrückstau. Infos gibt es auf www.hochwasser-pass.de.

Was macht die Emschergenossenschaft bislang baulich in Sachen Hochwassermanagement?

In Zahlen ausgedrückt besteht der technische Hochwasserschutz bei der Emschergenossenschaft aus 117 Kilometern an Deichanlagen, 104 Hochwasserpumpwerken, 24 Hochwasserrückhaltebecken und einem Rückhaltevolumen von zurzeit 2,5 Millionen Kubikmetern – dieses Fassungsvolumen wird sich allerdings nach Beendigung aller aktuellen Umbaumaßnahmen nahezu verdoppelt haben.

Von enormer Bedeutung ist das Hochwasserrückhaltebecken (HRB) in Dortmund-Mengede: Im Notfall kann es den Inhalt von sieben Millionen Badewannen fassen und zurückstauen – und damit nicht nur die umliegenden Mengeder Bereiche, sondern auch all diese unterhalb von Dortmund liegenden Emscher-Städte vor Hochwasser schützen: Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herne, Herten, Gelsenkirchen, Essen, Bottrop, Oberhausen und Dinslaken.

Was für Hochwasserschutzmaßnahmen gibt es speziell am Oberlauf der Emscher in Dortmund?

Das HRB DO-Mengede ist nicht die einzige Hochwasserschutzmaßnahme in Dortmund. Bereits vorgeschaltet sind zahlreiche weitere Anlagen. Bereits in der Vergangenheit bestanden diese Schutzeinrichtungen der Emschergenossenschaft. Im Rahmen des „Masterplans Emscher Zukunft“, dem „Drehbuch des Emscher-Umbaus“, wurden 2006 eine Reihe von Erweiterungen und Verbesserungen vorgestellt. Nach dem Jahrhundert-Hochwasser in Dortmund im Juli 2008 hat die Emschergenossenschaft die Umsetzung dieser Maßnahmen vorgezogen und mittlerweile nahezu fertiggestellt.

Bildnachweis: „Vertigo“ von Haubitz+Zoche,
Foto: Roman Mensing/EMSCHERKUNST

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