Klärmeisterin „von der Pike“ auf beim Lippeverband
Die Kläranlage Dorsten des Lippeverbandes stand gestern ganz im Zeichen des Girls´ Day 2016. 28 Mädchen aus dem Ruhrgebiet und vom Niederrhein wollten mehr über Ausbildungsberufe in der Wasserwirtschaft erfahren und wurden durch das Team von Biologin Dr. Antje Bechtel, Ingenieurin Ulla Hülser und Ausbildungsbeauftragte Inge Meinzer-Kahrweg über die Anlage, ins Labor und an die Lippe geführt. Mal sehen, vielleicht ist unter ihnen eine künftige „Flussmanagerin“?
Anlässlich des Girls´ Day haben wir in dieser Woche Frauen portraitiert, deren individuelle Karrieren in der Wasserwirtschaft jungen Frauen einen möglichen Weg in den Beruf zeigen können:
Judith Mittelbach: 1998 Ausbildung zur Entsorgerin – 2007 Klärmeisterin
Als Judith Mittelbach am 1. August 1998 ihre Ausbildung zur Ver- und Entsorgerin beim Lippeverband begann, waren Frauen in dieser Berufsgruppe noch viel seltener zu finden als heute (aktuell Fachkraft für Abwassertechnik, Frauenanteil geschätzt 10 Prozent). Heute ist sie die einzige Abwassermeisterin des Wasserwirtschaftsverbandes, der seinen Sitz in Dortmund hat, und sie leitet die Kläranlage Bönen. Die Anlage, die im Rahmen des Sesekeprogramms gebaut wurde und 2003 in Betrieb ging, hat sie von den ersten Anfängen an erlebt, zuerst noch als Baustelle, dann im fertigen Zustand und schließlich als „ihre“ Anlage.
Wie wird man Abwassermeisterin? „Schon als ich mein Abi gemacht habe, wollte ich irgendwo in einen umwelttechnischen Bereich, da hatte ich mich gerade bei der Agentur für Arbeit über den Beruf Ver- und Entsorger informiert, als der Lippeverband solch eine Ausbildungsstelle ausschreibt“. Sie bekam die Stelle prompt und mit Melanie Breitenstein auch gleich eine Azubi-Kollegin im selben Ausbildungsjahr.
Die Ausbildung auf der Lippeverbands-Kläranlage Dortmund-Scharnhorst hat Judith Mittelbach viel Spaß gemacht und schon im Januar 2001 – ein halbes Jahr früher als vorgesehen – legte sie ihre Gesellenprüfung ab und sammelte erst mal weitere Berufspraxis auf der nahe gelegenen Kläranlage Kamen . Neben der Arbeit setzte die frisch gebackene Entsorgerin ihre Ausbildung zielstrebig fort, opferte Urlaub für die Meisterschule und bestand schließlich 2005 die Meisterprüfung. „Der Verband hat da viel für mich getan, hat die Kosten für die Meisterschule zur Hälfte getragen und dafür auch Bildungsurlaub bewilligt. Die Ausbildung ist wirklich breit gefächert“, sagt sie, „dazu gehören u. a. Chemie, Biologie, Physik, Technisches Zeichnen, aber auch Kaufmännisches Rechnen und Arbeitsrecht – und all das habe ich auch tatsächlich später gebraucht“.
Während dieser Zeit entstand auch die Kläranlage in Bönen. Sie gehörte genau wie die Anlagen in Kamen und Scharnhorst zum Sesekeprogramm, mit dem der Lippeverband das Flüsschen Seseke im Kreis Unna und die Körne, die in Dortmund entspringt, wieder sauber gemacht hat. Ähnlich wie die Emscher im mittleren Ruhrgebiet war die Seseke jahrzehntelang ein offener Schmutzwasserlauf, in Betonplatten eingezwängt und schnurgerade. Heute ist das Sesekeprogramm schon fast Geschichte, 2005 verschwand der letzte Tropfen Abwasser aus der Seseke, das Schmutzwasser fließt in unterirdischen Kanälen, die Seseke ist renaturiert.
„Als ich noch in Kamen war, haben wir uns zwischendurch um unsere Baustelle in Bönen gekümmert, die Anlage sollten wir ja später mal mit betreiben“. Und so nahm das berufliche Ziel bei Judith Mittelbach gleich feste Formen an: Abwassermeisterin, am liebsten auf der Kläranlage Bönen. Das dauerte noch einige Jahre, aber dann wurde tatsächlich eine Meisterstelle für diese Anlage frei…
Seit sieben Jahren leitet Judith Mittelbach jetzt die Bönener Kläranlage. Neben der Schwerpunktanlage ist sie verantwortlich für vier kleinere Kläranlagen in der Umgebung und einige Regenrückhaltebecken. Die Chefin ist die einzige Frau in der neunköpfigen Belegschaft am Standort. „Es heißt immer, wir wären ein ganz junges Team“, meint sie, „aber mittlerweile liegt der Altersdurchschnitt bei 46“. Ist der Umgangston unter lauter Männern denn rauer? „Ich würde mal sagen nein, aber eben nicht wie im Büro“.
Patricia Bender/ Michael Steinbach