Die Vision vom Baden in der Emscher
Uli Paetzel im BMR-Interview
Unsere Emschergenossenschaft veranstaltet heute gemeinsam mit der Business Metropole Ruhr GmbH (BMR) und dem Regionalverband Ruhr (RVR) den „Green Day Ruhr“ in Dortmund. Am Phoenix See geht es um das Thema „Grün-Blaue Infrastruktur“. Dazu hat unser Chef Dr. Uli Paetzel ganz aktuell im BMR-Newsletter ein Interview gegeben.
Herr Dr. Paetzel, was bedeutet grüne und blaue Infrastruktur?
Grün-blaue Infrastruktur bedeutet für mich die perfekte Symbiose aus Wasserwirtschaft und städtebaulicher Entwicklung – besonders spannend ist solch ein Thema natürlich in einer vormals industriell und vom Bergbau geprägten Region wie unserem Revier. Einer Region, in der die Wasserwirtschaft rund 100 Jahre lang nur die Rolle des Entsorgers von Dreck einnahm. Das sieht heute freilich ganz anders aus. Unser Emscher-Umbau als wohl symbolträchtigstes Projekt des Strukturwandels ist eine einmalige Chance für das Revier, sich neu zu erfinden – und das nicht nur an den Ufern unserer Gewässer, sondern auch darüber hinaus. Wir erleben es ja gerade, dass die positiven Mehrwerteffekte des Emscher-Umbaus bis in die Quartiere strahlen.
Was macht die Region als Standort für Umweltwirtschaft aus?
Als Drei-Strom-Land mit den Flüssen Emscher, Lippe und Ruhr ist das Revier prädestiniert als führende Region für Umweltwirtschaft in Deutschland. Kleine und mittelständische Unternehmen sowie hier ansässige Konzerne entwickeln erfolgreich grüne Technologien und Innovationen. Auch wir als Emschergenossenschaft wollen vorbildlich vorangehen und eine Vorreiterrolle einnehmen: In Bottrop etwa haben wir mit erneuerbaren Energien aus unserem Klärwerk an der Emscher ein Kraftwerk gemacht – Deutschlands erste energieautarke Großkläranlage. Den Standort unserer ehemaligen Kläranlage Läppkes Mühlenbach in Oberhausen dagegen haben wir zu einem attraktiven Klärpark umgestaltet, in dem unter anderem auch der Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Nordrhein-Westfalen e. V. seinen Sitz hat.
Der Emscher-Umbau ist ein Milliarden-Projekt – wie schafft es die Emschergenossenschaft, hier im Zeit- und Finanzplan zu bleiben?
Die Schaffung einer komplett neuen, wasser- und abwassertechnischen Infrastruktur und die Revitalisierung einer ganzen Flusslandschaft ist inmitten eines dicht besiedelten Gebietes kein Projekt, das man sich woanders abschauen kann. Der Emscher-Umbau ist daher zunächst einmal ein einzigartiges Pilotprojekt. Die Rahmenbedingungen, Anforderungen und Herausforderungen haben sich im Laufe der vergangenen 25 Jahre immer wieder geändert. Doch unser Emscher-Umbau ist eben auch ein atmendes, sich ständig anpassendes und dadurch veränderndes Vorhaben. Wir als Emschergenossenschaft haben deswegen die mehr als 400 Einzelprojekte immer wieder angepasst, weiter entwickelt und optimiert, um die Vision einer abwasserfreien, neuen Flusslandschaft in einer Generation umsetzen zu können. Das wird nach jetzigem Stand eine Investition von insgesamt 5,3 Milliarden Euro erfordern. Gleichwohl berücksichtigen wir auch Kosten von rund 400 Millionen Euro für etwaige unvorhergesehene Risiken etwa durch Baupreissteigerungen – insgesamt könnten es also 5,7 Milliarden Euro werden.
Wie profitiert die Region vom Emscher-Umbau?
Die Region profitiert in mehrfacher Hinsicht von der Renaturierung der Emscher und ihrer Nebenläufe – ökologisch, ökonomisch und sozial. Die naturnahe Umgestaltung der einstigen „Köttelbecken“ sorgt für eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität und bringt daher einen Mehrwert für Mensch und Natur. Durch die Revitalisierung einst benachteiligter Quartiere entlang der vormals offenen Schmutzwasserläufe erfahren die Menschen auch eine soziale Aufwertung, aus den benachteiligten Stadtteilen werden plötzlich privilegierte Ortsteile – man denke an Bottrop-Ebel mit dem BernePark. Letztlich sorgt der Emscher-Umbau auch für regional-ökonomische Effekte im Revier: Pro Jahr werden rund 1400 Arbeitsplätze direkt durch den Emscher-Umbau gesichert oder neu geschaffen, inklusive der indirekten Faktoren sind es sogar 3700 Arbeitsplätze jährlich. Von der Wertsteigerung der Grundstücke entlang der umgestalteten Gewässer mal ganz abgesehen…
In der Ruhr ist an manchen Stellen das Baden wieder erlaubt. Ist das auch für die Emscher in der Zukunft denkbar?
Das muss unser entferntes Ziel sein, ganz klar. Wir bauen heute bereits wieder Wein an den Hängen der Emscher an, wie man in Dortmund sehen kann – meine Vision ist: In einigen Jahren wird die einst für industrielle Abwässer missbrauchte Emscher so sauber sein, dass man wieder in ihr baden kann. Ich steige dann auch gerne als Erster ins Wasser…!