Was macht der Zug im Abwasserkanal?
Außergewöhnlicher Besuch auf einem „Bahnhof“ in dreißig Metern Tiefe.
Heute bin ich mit Kollegen unterwegs auf einer Baustelle für den Abwasserkanal Emscher, wo sich in dreißig Metern Tiefe ein Bahnhof der ganz anderen Art befindet. Nebenbei auch eine Gelegenheit für mich, mich meiner Höhenangst zu stellen.
Auf der Baustelle – ganz korrekt bezeichnet Bauabschnitt BA 40, Schacht 17 an der Forstbruchstraße in Oberhausen – treffen wir unseren Projektleiter Carsten Machentanz und machen uns gemeinsam auf den Weg in den Schacht. Erfreulicherweise fährt uns ein Bauaufzug nach unten. Der Gang über den offenen Treppenturm bleibt mir erspart. Diese Treppe wird nur in einem Notfall benötigt, falls es vor Ort zu einem Unfall kommen sollte. Während die Kollegen das Plateau als Aussichtsplattform nutzen, um von hier aus in den Abgrund zu blicken, fühle ich mich mit festem Boden unter den Füßen doch deutlich wohler und halte lieber etwas Abstand zu der luftigen Konstruktion.
Außergewöhnlicher Zug in Aktion
In dreißig Metern Tiefe wird hier der Abwasserkanal Emscher gebaut – an dieser Stelle in Tübbingbauweise, da der Baugrund den unterirdischen Vortrieb mit kompletten Kanalrohren nicht ermöglicht. Was vor Ort genau passiert, erklärt mein Kollege, Ilias Abawi, hier im Video. Impressionen des gesamten Projektes finden sich hier.
Ich bin heute hier, um einen außergewöhnlichen Zug in Aktion zu sehen. Unten angekommen, bietet sich ein interessantes Bild: Der Boden der Baustelle ist mit Holzplanken ausgelegt, auf denen ein Schienensystem auf beiden Seiten in jeweils zwei Tunnelröhren führt. Ein lautes Signal ertönt – gleich wird die unterirdische Tunnelbahn ankommen. Fast wie an einer Haltestelle stehen wir gespannt und warten auf die Einfahrt. Da kommt auch schon der rote Zug, der mich an meine Kindheit erinnert – nämlich an die „Bimmelbahn“, mit der ich als Kind gerne durch den Essener Grugapark gefahren bin… Die Tunnelbahn macht hier allerdings keine Rundfahrten, vielmehr hat sie die Aufgabe, den im Tunnel abgetragenen Emschermergel zurück zum Zielschacht und auf dem Rückweg die Tübbingelemente für den Bau des Kanals an Ort und Stelle zu transportieren. Das Führerhäuschen der Bahn sieht winzig aus, dennoch haben zwei Erwachsene darin Platz.
Lokführer in der Tunnelbahn
Auf aktuell rund 1,5 Kilometern Länge fahren so insgesamt vier Züge den ganzen Tag in diesem Zyklus durch die Tunnel. Ein wirklich außergewöhnlicher Arbeitsplatz – Lokführer in der Tunnelbahn. Allerdings nur auf Zeit, denn voraussichtlich im Mai werden die Arbeiten hier abgeschlossen sein und dann stellt auch die Tunnelbahn ihre Arbeit ein. Gut, dass wir die Gelegenheit genutzt haben, die außergewöhnliche Bahn live zu sehen.
Oben wieder angekommen, wage ich dann doch noch den Gang über die metallenen Planken des Treppenturms und taste mich vorsichtig zum Rand vor. Der Blick in dreißig Meter Tiefe hinterlässt ein mulmiges Gefühl, aber gleichzeitig bin ich auch ein klein wenig stolz auf mich, dass ich die Höhenangst bezwungen und es gewagt habe.
Fotos: Kerstin Fröhlich/EGLV